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Gesundheit

Blaue Zonen: Hier werden Menschen besonders alt - aber warum?

  • Veröffentlicht: 08.04.2024
  • 11:55 Uhr
  • Christian Vock
Ikaria in Griechenland zählt zu den Gebieten, in denen der Antei 100-Jähriger besonders hoch ist, den sogenannten "blauen Zonen".
Ikaria in Griechenland zählt zu den Gebieten, in denen der Antei 100-Jähriger besonders hoch ist, den sogenannten "blauen Zonen".© picture alliance / NurPhoto | Nicolas Economou

Blaue Zonen, das sind Gebiete auf der Welt, in denen Menschen ein besonders langes Leben blüht und sie weniger krank werden. Wo liegen diese blauen Zonen, was ist dort anders und was kann man von den Menschen dort lernen?

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Das Wichtigste in Kürze

  • Unter blauen Zonen versteht man fünf bzw. sechs Gebiete, die sich über die gesamte Welt verteilen, in denen der Anteil an Hundertjährigen besonders hoch ist. 

  • Das Konzept entstand aus einer demographischen Arbeit auf Sardinien und wurde von Dan Buettner weiterentwickelt und 2005 im "National Geographic" vorgestellt.

  • Diese blauen Zonen sind laut Buettner: Sardinien, Okinawa, Loma Linda, die Nicoya-Halbinsel und Ikaria. Die sechste blaue Zone ist Singapur.

  • Der Lebensstil von Menschen in einer blauen Zone ist durch bestimmte Merkmale gekennzeichnet: Große Bedeutung der Familie, eine pflanzenbasierte Ernährung, körperliche Aktivität oder soziales Engagement.

Inhalt

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Hier liegen die blauen Zonen auf der Welt

Die blauen Zonen - Hier werden die Menschen besonders alt
Die blauen Zonen - Hier werden die Menschen besonders alt© Galileo

Das Konzept der Blauen Zonen nach Dan Buettner

Der amerikanische Abenteurer, Guiness-Buch-Rekordhalter und Autor Dan Buettner war in den frühen 2000er-Jahren fasziniert vom Geheimnis eines langen Lebens. Er beschloss, dieses Geheimnis vor Ort zu entschlüsseln, also dort, wo Menschen besonders alt werden – und das auch noch bei guter Gesundheit. Bei der Suche nach den Orten dieser Langlebigkeit stieß er zunächst auf eine Studie über eine Gruppe von besonders alten Menschen auf der japanischen Insel Okinawa.

Später entdeckte Buettner, dass der Medizin-Statistiker der Universität Sassari, Dr. Gianni Pes und dessen Kollege Michel Poulain, auf der italienischen Insel Sardinien mehrere Dörfer mit einem besonders hohen Anteil an Hundertjährigen identifiziert und das Gebiet als blaue Zone bezeichnet hatten.

Mit Singapur beschreibt Dan Buettner in seinem Buch "Das Geheimnis der 100-Jährigen: Entdeckungsreise in die Blue Zones der Welt" (Verlag National Geographic) eine sechste blaue Zone, die nicht so isoliert liegt wie die anderen blauen Zonen, aber durch politische Maßnahmen die Langlebigkeit ihrer Bewohner gesteigert hat. Buettner spricht hier deshalb von einer Blue Zone 2.0.

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Blauen Zonen: Aufzählung

Sardinien, Italien

Okinawa, Japan

Loma Linda, Kalifornien

Die Nicoya-Halbinsel von Costa Rica

Ikaria, Griechenland

Singapur

Buettners Konzept besagt, dass es in diesen blauen Zonen überdurchschnittlich viele Menschen gibt, die älter als 100 Jahre alt werden, dass diese Menschen weniger schwere Krankheiten erleiden und dass sie ihre langen Lebensjahre bei guter Gesundheit verbringen.

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Das sind die Besonderheiten in den Blauen Zonen:

Sardinien

  • Pflanzliche Ernährung: Auf dem sardischen Ernährungsplan stehen vorwiegend pflanzliche Lebensmittel wie Vollkornsauerteigbrot, Bohnen, Gartengemüse, Obst und regional auch Olivenöl. Dazu gibt es traditionell Pecorino von grasgefütterten Schafen, der reich an Omega-3-Fettsäuren ist. Wenn es Milch gibt, dann von Ziegen, Fleisch gibt es nur zu besonderen Anlässen.
  • Familie: Eine intakte Familie gibt Geborgenheit, Fürsorge und Sicherheit. Depressionen, Stress und Suizide treten so seltener auf. Die starke Einbindung in die Familie gibt einen Lebenssinn, fördert emotionale Kompetenz und wirkt gegen Einsamkeit.
  • Achtung vor Älteren: Ältere Menschen sind wichtig für die nachfolgenden Generationen. Sie geben Liebe und Geborgenheit, bieten Unterstützung, geben Wissen weiter, bewahren Traditionen und fördern die Kinder. Ältere Menschen gehen nicht in die klassische Rente, sondern arbeiten in der Dorfgemeinschaft weiter mit – nach ihren Fähigkeiten. Das hält körperlich und geistig fit.
  • Tägliche Bewegung: Viel Bewegung mit geringer Intensität wie die sardischer Hirten in bergiger Landschaft ist gut für den Muskelaufbau- und Erhalt, belastet die Gelenke nicht zu stark und ist gut für das Herz-Kreislauf-System.
  • Mäßiger Alkoholkonsum: Die Sard:innen trinken ein oder zwei Gläser Rotwein täglich. Der sardische Cannonau enthält zwei- bis dreimal so viel arterienreinigende Flavonoide wie andere Weine. Vielleicht reduziert der Weinkonsum auch den Stress.
  • Humor: Die Menschen auf Sardinien haben einen sarkastischen Humor. Sie lachen mit und übereinander, was zum Stressabbau beitragen und so das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken kann.
Auch auf Sardinen gilt als blaue Zone.
Auch auf Sardinen gilt als blaue Zone.© REUTERS

Die Nicoya-Halbinsel

  • Sonne: Die Region ist eine der trockensten und sonnenreichsten des Landes. Regelmäßiger Aufenthalt in der Sonne regt die Produktion von Vitamin D an, was wiederum die Knochen stärkt.
  • Traditionelle Lebensweise: Auch die modernen Nicoyaner:innen leben wie die indigene Bevölkerung und damit ein vergleichsweise stressfreies Leben.
  • Hartes Wasser: Das Wasser in Nicoya hat den höchsten Kalziumgehalt des Landes, was die geringe Zahl an Herzerkrankungen, die kräftigen Knochen und die seltenen Fälle von Hüftfrakturen erklären mag.
  • Familie: Hundertjährige Nicoyaner:innen leben gewöhnlich bei ihrer Familie und haben durch ihre Aufgaben innerhalb der Familie auch ein starkes Zielbewusstsein. Das Familienleben gibt ihnen Sinn und ein Gefühl der Geborgenheit und Zugehörigkeit.
  • Ernährung: Abends essen Nicoyaner:innen nur leichte Kost. Generell ist die Ernährungsweise traditionell mesoamerikanisch, besteht also aus den "Drei Schwestern" Kürbis, Mais und Bohnen.
  • Lebenslange, harte Arbeit: Auch Hundertjährige arbeiten ein Leben lang, etwa im Garten, in der Küche oder bei der Betreuung der Enkelkinder.

Loma Linda

  • Auszeit: Die Gemeinde in Loma Linda besteht aus etwa 9.000 Siebenten-Tags-Adventist:innen. Der Sabbat gibt den Gemeindemitgliedern die Auszeit für Familie, Gott, Freunde und die Natur. Das baut Stress ab und stärkt den Zusammenhalt in der Gemeinde.
  • Ernährung: Auf dem Speiseplan stehen viel Wasser und eine überwiegend vegetarische oder vegane Kost, etwa aus Vollkornprodukten, Obst, Bohnen, Nüssen, Avocados, Haferflocken oder Sojamilch. Abends gibt es wie bei den Nicoyanern nur eine kleine Mahlzeit.
  • Regelmäßige und moderate Bewegung: Eine Erklärung zur Langlebigkeit der Bewohner von Loma Linda bietet die regelmäßige körperliche Anstrengung von geringer Intensität. Außerdem sind die Bewohner:innen überwiegend Nichtraucher und achten auf ihr Körpergewicht.
  • Aktivität und Engagement: Der Adventismus ermutigt seine Mitglieder zu ehrenamtlichem Engagement.

Ikaria

  • Lebensweise: Das bergige Ikaria und die teilweise armen Lebensumstände zwingen die Bewohner:innen dazu, sich täglich zu bewegen, etwa durch Gartenarbeit oder durch das Laufen zum nächsten Dorf.
  • Ernährung: Die Ikarier:innen ernähren sich klassisch mediterran, also mit viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukten, Honig, Hülsenfrüchten und Olivenöl. Gleichzeitig kommen hier mehr Kartoffeln, Wildgemüse und Bohnen auf den Tisch als anderswo. Auf Ikaria trinkt man zudem gerne Kräutertee und nutzt so dessen antioxidative Wirkung.
  • Stress-Reduktion: Auf Ikaria macht man gerne ein Nickerchen. Das senkt das Risiko für Herzerkrankungen.
  • Fasten: Als griechisch-orthodoxe Christ:innen hält die Ikarier ihr Glaube zum Fasten an. Fasten, bei dem etwa 30 Prozent der Kalorien eingespart wird, ist lauf Buettner "die einzige wissenschaftlich nachgewiesene Methode, den Alterungsprozess von Säugetieren zu verlangsamen."
  • Familie und Freunde: Das Pflegen der sozialen Kontakte spielt auch auf Ikaria eine große Rolle. Wie in den anderen Blauen Zonen fördert ein soziales Netzwerk auch hier das Gefühl, dazuzugehören und einen Lebenssinn zu haben.

Okinawa

  • Lebenssinn: Okinawaner:innen haben ihr ikigai, ihren Lebenssinn. Sie haben ihre Rolle gefunden und wissen, dass sie auch im hohen Alter noch gebraucht werden.
  • Ernährung: Auch auf Okinawa setzt man auf eine überwiegend pflanzliche Ernährung. Dazu gehören pfannengerührtes Gemüse, Süßkartoffeln, Bittermelonen, Tofu und auch viele Kräuter wie Beifuß, Ingwer und Kurkuma.
  • Soziales Netz: Auf Okinawa fängt man sich in kleinen Gemeinschaften in schlechten Zeiten moralisch und finanziell auf. Das gibt den Bewohnern Sicherheit.
  • Aktivität: Ältere Menschen sind gerne und oft in der Sonne. Das so produzierte Vitamin D fördert die Gesundheit und beugt Depressionen vor. Gleichzeitig sind die Wohnräume der Okinawaner sehr reduziert eingerichtet. Man isst auf Matten auf dem Boden und ist so gezwungen, sich mehrmals täglich zu setzten und wieder aufzustehen.
  • Interesse: Auf Okinawa pflegt man Offenheit und Liebenswürdigkeit anderen Menschen gegenüber.

Singapur

  • Sicherheit: Singapur ist bekannt und berüchtigt für seine drakonischen Strafen. Gleichzeitig sind dort Schusswaffen verboten, ebenso Betäubungsmittel.
  • Gesundheitssystem: Das Gesundheitssystem von Singapur verfolgt einen starken Präventionskurs. Aufklärung, Kochkurse oder Vorsorgeuntersuchungen sollen verhindern, dass die Menschen überhaupt erst krank werden.
  • Lebensumstände: Ein ähnliches Ziel verfolgt Singapur mit der Verbesserung der Lebensumstände, etwa durch eine Kooperation mit Getränkeherstellern zur Zuckerreduzierung, gesündere Gerichte in Restaurants oder durch Bonusprogramme.
  • Gemeinschaft: Gleichzeitig wird auch durch Architektur versucht, Möglichkeiten der Begegnung zwischen den Generationen zu schaffen, zum Beispiel indem man Seniorenheime, Vorschulen, Parks und Einkaufsmöglichkeiten nebeneinander platziert – horizontal wie vertikal.

Das letzte traditionelle Dorf in Singapur

Dan Buettner beschreibt, dass auf Sardinien, Nicoya und insbesondere auf Okinawa die traditionelle Lebensweise, die er für das lange Leben ihrer Bewohner mitverantwortlich macht, langsam verdrängt wird: neue Straßen, moderne Kommunikationsmittel, Social Media, Junkfood oder Tourismus hielten auch dort Einzug. Auf Ikaria hingegen fänden jüngere Generationen nach einer Phase in den 1980er- und 1990er-Jahren seit den 2000er-Jahren wieder eher zur traditionellen Lebensweise zurück.

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Das haben die blauen Zonen gemeinsam:

  • Bewegung: Die Bewohner:innen der blauen Zonen bewegen sich ganz natürlich und jeden Tag, etwa im Haushalt, im Garten oder bei der Arbeit selbst im hohen Alter.
  • Lebenssinn: Auch die Hundertjährigen haben ein Ziel vor Augen für das sie morgens aufstehen.
  • Stressabbau: Egal in welcher Zone, überall versuchen die Menschen, den Tag in Freude und ohne Stress zu verbringen – und tun etwas dafür. Zum Beispiel durch gemeinsame Aktivitäten, Meditieren, Gebete oder auch nur durch ein Nickerchen.
  • Vegetarische Ernährung: Die pflanzliche Ernährung ist in den blauen Zonen Standard, nur ganz selten kommen Fleisch oder Fisch auf den Teller. Wichtiger Bestandteil der Ernährung sind in fast allen blauen Zonen Bohnen, auf Okinawa ist es die violette Süßkartoffel.
  • Mäßiges Essen: Auf Okinawa schwört man auf die 80-Prozent-Regel, schlägt sich also bei einer Mahlzeit nicht den Magen voll. Abends gibt es zudem nur leichte Kost.
  • Wein: Maximal zwei Gläser Wein pro Tag dürfen es sein.
  • Zugehörigkeit: In fast allen blauen Zonen spielt die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft eine Rolle.
  • Familie: Die Familie steht an erster Stelle. Ältere Menschen wohnen in der Familie, werden in den Alltag eingebunden und haben Aufgaben.
  • Soziales Netz: Freunde, gemeinsame Aktivitäten, eine Dorfgemeinschaft – die Bewohner:innen der blauen Zonen haben sich ein soziales Netz geschaffen, das ihnen Glück, Wohlbefinden und Halt gibt.

"Ich kann natürlich nicht beweisen, dass die Faktoren, die ich in den Blue Zones ermittelt habe, ursächlich für die extrem hohe Lebenserwartung der Menschen sind, aber ich weiß, dass sie in hohem Maße korrelieren."

Dan Buettner, 2023

Das sagt die Wissenschaft über blaue Zonen

Die Beschreibungen von Dan Buettner decken sich in großen Teilen mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen über langes Leben. Professor Andreas Simm, Biologe mit Schwerpunkt Biogerontologie sowie Gründer und Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Altern in Halle (IZAH), macht aber darauf aufmerksam, dass gerade die Gene der Bewohner:innen der blauen Zonen eine große Rolle spielen. So werde jemand, der von außen in eine blaue Zone zieht und dort nach exakt denselben Bedingungen lebt, damit nicht automatisch ebenfalls sehr lange leben.

Gleichzeitig ist die Einbindung in ein soziales Netzwerk von entscheidender Bedeutung für ein langes Leben, denn dadurch werde Stress reduziert. Das Gehirn produziere unter Stress bestimmte Hormone, die wiederum Einfluss auf unseren Alterungsprozess haben.

"Das Soziale hat einen großen Einfluss auf biologische Reaktionen und damit auf den Alterungsprozess."

Professor Andreas Simm, 2024

Häufige Fragen zu blauen Zonen

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