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Verfassungsschutz: So arbeitet der Inlands-Nachrichtendienst

  • Veröffentlicht: 08.11.2023
  • 10:48 Uhr
  • Galileo

Der Verfassungsschutz hat die Aufgabe, die demokratische Grundordnung in Deutschland zu schützen. Dafür darf er unter bestimmten Bedingungen auch Parteien nachrichtendienstlich überwachen - wie etwa die AfD Sachsen-Anhalt, die nun als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wurde. Doch wie arbeitet der Inlands-Nachrichtendienst genau? Wir klären auf.

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Das Wichtigste zum Thema Verfassungsschutz

  • Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wurde am 7. November 1950 gegründet und hat seinen Sitz in Köln. Es ist Deutschlands Inlandsnachrichtendienst, der sich in mehrere Landesbehörden unterteilt.

  • Seine wichtigste Aufgabe: Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung zu sammeln und auszuwerten.

  • Den Großteil seiner Infos beschafft das BfV über öffentliche Quellen. Nachrichtendienstliche Mittel zur Überwachung darf das BfV nur nach dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit anwenden.

  • Das BfV ist ein Nachrichtendienst und kein Geheimdienst. Es hat wegen des Trennungsgebots von Nachrichtendiensten und Polizei keine exekutiven Befugnisse. Der Verfassungsschutz ermittelt im Vorfeld und leitet Erkenntnisse etwa an die Polizei weiter.

  • Gemeinsam mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) soll das BfV Deutschlands Staatsschutz sicherstellen. Sie alle werden durch ein parlamentarisches Kontrollgremium des Bundestags überwacht.

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Die AfD im Fokus des Verfassungsschutzes

In den Fokus der Öffentlichkeit rückte das BfV besonders in den letzten Jahrem im Zusammenhang mit der Alternative für Deutschland (AfD).

Seit einem gerichtlichen Beschluss vom 8. März 2022, darf der Inlands-Geheimdienst die AfD-Bundespartei als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen und mit geheimdienstlichen Mitteln untersuchen. Das bedeutet: Telefone abhören, Nachrichten mitlesen, V-Leute einsetzen.

Grund für die Entscheidung war, dass es ausreichende Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen innerhalb der Partei gegeben habe.

In dem Verfassungsschutzbericht von Juni spielt die AfD wieder eine Rolle. In dem Bericht schätzt der Verfassungsschutz die Zahl der AfD-Mitglieder mit extremistischem Potenzial auf 10.200. Damit fallen mehr als ein Drittel der insgesamt rund 28.500 Parteimitglieder darunter.

Auch die Landesverbände der Partei rücken ins Auge des Verfassungsschutzes. Nachdem die AfD Thüringen bereits im März 2021 als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde, folgte am 7. November die AfD Sachsen-Anhalt.

Was bedeuten die Einstufungen des BfV?

Der Verfassungsschutz unterscheidet mögliche Fälle, die sich gegen die Verfassung wenden, kurz zusammengefasst in drei Gruppen: Prüf-Fälle, Verdachtsfälle und Beobachtungsfälle.

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1️⃣ Prüf-Fall

Vereinfacht gesagt startet das BfV damit, auf der Grundlage von Zeitungs-Artikeln, Partei-Programmen, TV-Beiträgen oder Online-Aufritten zu checken, ob es genug Hinweise für eine Beobachtung gibt.

Eine Überwachung mit nachrichtendienstlichen Mitteln ist dem BfV auf dieser Stufe noch nicht erlaubt. Nur sämtliche öffentlich zugänglichen Quellen dienen als Grundlage der ersten Bewertung.

2️⃣ Verdachtsfall

Gibt es bei der ersten Prüfung Anzeichen für Anstrengungen gegen die Verfassung, wird aus einem Prüf-Fall ein Verdachtsfall. Hier darf das BfV die entsprechende Gruppe beobachten, auch mit einigen nachrichtendienstlichen Mitteln.

Unter Umständen darf das BfV etwa Telefongespräche oder Nachrichten in Messengern überwachen. Dabei gilt jedoch der Grundsatz: Nur wenn es kein milderes Mittel mit gleicher Wirkung gibt, ist eine Maßnahme angemessen.

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3️⃣ Beobachtungsfall

Hat das BfV keine Zweifel mehr an den Bemühungen gegen die Verfassung, ordnet es eine Gruppierung als eine gesichert extremistische Bestrebung ein. Im Gegensatz zum Verdachtsfall darf das BfV nun noch mehr nachrichtendienstliche Maßnahmen zur Überwachung einsetzen.

Das BfV darf Verdächtige jetzt beobachten und überwachen, "Informanten" befragen sowie Daten sammeln und speichern. Ausnahme: Was ein Abgeordneter im Plenum oder Ausschüssen sagt, darf nicht mit in die Akte.

BfV, BND und MAD: Deutschlands Staatsschutz

Um seine Aufgaben zu erfüllen, arbeitet das BfV eng mit den einzelnen Landesbehörden zum Verfassungsschutz sowie dem Bundesnachrichtendienst (BND) und dem Militärischen Abschirmdienst (MAD) zusammen.

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Was für Fälle beobachtet der Verfassungsschutz genau?

Das BfV sammelt gemäß dem Bundesverfassungs-Schutzgesetz Informationen über Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit Deutschlands gerichtet sind. Außerdem wertet es Infos zur Spionage-Bekämpfung aus und ist auch am Sabotage-Schutz beteiligt.

Kurz: Das BfV kümmert sich darum, dass unsere Demokratie geschützt wird. Was sich gegen das Grundgesetz (GG) als deutsche Verfassung und deren Grundwerte richtet, gilt als extremistische Bestrebung und ist ein Fall für den Verfassungsschutz.

Dazu zählen unter anderem rechts- und linksextremistische Bewegungen und Parteien. Konkret verweist das BfV etwa auf die Reichsbürger-Gruppierung oder islamistischen Terrorismus.

Da das BfV dem Bundesinnenministerium (BMI) zugeordnet ist, bestimmen auf Bundes-Ebene das BMI und auf Landesebene die jeweiligen Innenminister:innen der Bundesländer, wen oder was der Verfassungsschutz beobachtet.

Jedes Jahr stellen das BMI um den/die Bundes-Innenminister:in einen Verfassungsschutzbericht vor. So informieren sie die Öffentlichkeit über die Beobachtungsfälle. (Hier zu sehen Innenministerin Nancy Faeser (r.) und Thomas Haldenwang vom BfV (l.) im Jahr 2023).
Jedes Jahr stellen das BMI um den/die Bundes-Innenminister:in einen Verfassungsschutzbericht vor. So informieren sie die Öffentlichkeit über die Beobachtungsfälle. (Hier zu sehen Innenministerin Nancy Faeser (r.) und Thomas Haldenwang vom BfV (l.) im Jahr 2023).© picture alliance/dpa/Christoph Soeder

Zu langsam und ineffizient? Warum das BfV kritisiert wird

Vom Grundsatz her verfolgt der Verfassungsschutz ein wichtiges demokratisches Ziel. Trotzdem wird er immer wieder massiv kritisiert.

😪 Lahm und unpräzise?

Beispielsweise kam die Einordnung der AfD als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz für einige Fachleute zu spät. Journalist:innen und Wissenschaftler:innen hatten die rechtsextremen Tendenzen in der Partei schon früher erkannt.

Ebenso habe der Verfassungsschutz etwa das Ausmaß rechter Gruppierungen bei den Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen im Sommer 2020 unterschätzt.

Schon in seiner Vergangenheit sorgte der Verfassungsschutz für einige Schlagzeilen. So scheiterte etwa ein Verbotsverfahren gegen die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) Anfang der 2000er-Jahre, weil Vertrauenspersonen (V-Leute) des Verfassungsschutzes in der NPD-Führungs-Ebene tätig waren.

🔨 Abschaffen oder modernisieren?

Radikale Kritiker:innen fordern daher eine Abschaffung der Verfassungs-Schutzbehörden. Ihr Argument: Im Gegensatz zu ihnen liefern wissenschaftliche Auswertungen schnellere und bessere Erkenntnisse.

Für andere braucht der Verfassungsschutz zumindest eine Anpassung der Arbeitsweisen an die Herausforderungen der digitalisierten Welt. Wichtig sei eine Teilung von Polizei und Verfassungsschutz. Auf nachrichtendienstliche Methoden könne aber nicht verzichtet werden.

Um seine Arbeit zu verbessern, wächst der Verfassungsschutz seit einigen Jahren. Aktuell arbeiten über 4.000 Mitarbeitende beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Womöglich brauche es aber noch mehr und besser qualifiziertes Personal.

Willst Du noch mehr zum Verfassungsschutz erfahren?

Webseite des Bundesamts für Verfassungsschutz

Verfassungsschutzberichte des BfV

Webseite des Bundesinnenministeriums

Bundesverfassungsschutzgesetz

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