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In-vitro-Fleisch: Landet bald Fleisch aus dem Labor auf deinem Teller?

  • Veröffentlicht: 06.01.2023
  • 19:45 Uhr
  • Galileo

Forschende arbeiten seit Jahren an Fleisch aus dem Reagenzglas. Wann gibt's den ersten Burger aus dem Labor in Deutschland und ist In-vitro-Fleisch die Antwort auf Massentierhaltung? Im Clip: So wird im Labor Fisch-Fleisch gezüchtet.

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Das Wichtigste zum Thema In-vitro-Fleisch

  • In Deutschland lag der Fleischkonsum 2021 pro Kopf bei 55 Kilogramm.

  • Das ist vor allem für die Umwelt ein Problem. 65 Prozent der in Deutschland gemessenen Methan-Emissionen gehen laut Umweltbundesamt auf die Landwirtschaft zurück. Den größten Anteil davon macht die Tierhaltung aus.

  • Um den Konsum nachhaltiger zu gestalten, wollen Forschende Fleisch künstlich züchten. Dafür entnehmen sie einem lebenden Tier eine Muskelstammzelle. Daraus werden Muskelzellen, die in wenigen Wochen zu Muskelfasern zusammenwachsen.

  • Ferne Zukunftsmusik? Von wegen. Den ersten In-vitro-Burger gab es schon 2013 - damals kostete er noch 300.000 Dollar. Inzwischen liegt der Preis bei etwa neun Euro.

  • Erreicht Fleisch aus der Petrischale auch bald deutsche Supermärkte? Hier gibt es den aktuellen Überblick.

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In-Vitro-Fleisch: Das Essen der Zukunft?

Mehr Umweltschutz, weniger Tierleid: In-vitro-Fleisch wird seit Jahren als Hoffnungsträger in der Lebensmittel-Industrie angepriesen. In den 1990er Jahren begannen die ersten Forschungen in den Niederlanden, 2013 war der erste Burger aus dem Labor der Universität Maastricht bereit zur Verkostung.

Mittlerweile gibt es rund 80 Unternehmen weltweit, die Fleisch und Fisch aus dem Labor in die Supermärkte bringen wollen. Die Produktion beschränkt sich nicht mehr nur auf strukturloses Rinder-Hackfleisch, sondern auch auf Filets und Steaks, die per 3D-Druck auf dem Teller landen sollen. Auch Fisch gibt es mittlerweile aus dem Reagenzglas.

Geschmacklich konnte das Fleisch aus dem Reagenzglas schon vor zehn Jahren überzeugen, der Preis aber nicht. Auf umgerechnet knapp 250.000 Euro beliefen sich die Herstellungskosten. Mittlerweile konnten Forschende den Preis auf unter zehn Euro drücken - allerdings nur in der Theorie.

Um In-vitro-Fleisch preisgünstig in Supermärkten anbieten zu können, muss es als Massenware produziert werden. Ob das in naher Zukunft möglich ist, lässt sich schwer abschätzen. Die Hersteller lassen sich bei ihrem Forschungsprozess nur ungern in die Karten schauen - aus Angst vor Plagiatsfällen.

Fleisch aus dem Labor: Schon lange kein Science Fiction mehr.
Fleisch aus dem Labor: Schon lange kein Science Fiction mehr.© Adobe Stock

In-vitro-Fleisch: Vom Labor auf den Teller

So wird In-vitro-Fleisch hergestellt
So wird In-vitro-Fleisch hergestellt
So wird In-Vitro-Fleisch hergestellt
So wird In-Vitro-Fleisch hergestellt © Galileo
So wird In-vitro-Fleisch hergestellt
So wird In-Vitro-Fleisch hergestellt
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Fleisch ohne Tierleid? So wird In-vitro-Fleisch hergestellt

🧬 Um Gewebe außerhalb eines lebenden Organismus züchten zu können, braucht es grundsätzlich immer Stammzellen. Denn die sind in Lage, neue Zellen zu bilden.

💉 Forschende entnehmen beispielsweise einem Rind ein winziges Stück Muskelgewebe. Daraus sequenzieren sie im Labor dann die Muskel-Stammzellen.

⚗ Um zu wachsen, benötigen die Stammzellen Nahrung. Das sogenannte Nährmedium wird mit allem angereichert, was die Zellen benötigen: Zucker, Fette, Vitamine, Proteine und ein Wachstumsserum.

🐮 Die größte Herausforderung in der Herstellung stellte bisher das Wachstumsserum dar. Lange Zeit wurde dafür Kälberserum genutzt - das Blut eines ungeborenen Fötus. Weder die Mutter noch die Kälber überleben die Blut-Entnahme.

🧪 Bis vor wenigen Jahren gab es für das Wachstumsserum keine tierleid-freie Alternative. Mittlerweile setzen Firmen immer mehr auf Algen oder Pilzextrakte.

🧫 In einem Behälter - auch Bioreaktor genannt - setzen sich die Stammzellen in wenigen Wochen zu Gewebe zusammen. Rund 20.000 Muskelzellen braucht es etwa für einen Burger-Patty.

🥩 Die gewachsenen Muskelfasern werden im nächsten Schritt gewürzt, eingefärbt und mit gezüchteten Fettzellen verarbeitet - um dem echten Fleischgeschmack so nah wie möglich zu kommen.

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Ist In-Vitro-Fleisch gesünder und nachhaltiger?

Das sagt Silvia Woll, Technikphilosophin am Karlsruher Institut für Technologie:

Ist In-vitro-Fleisch umweltfreundlicher als konventionelles Fleisch?

💬 Im Moment geht man davon aus, dass die Produktion von In-vitro-Fleisch weniger Land und Wasser verbrauchen und weniger Treibhausgase und Schadstoffe ausgestoßen werden als bei der konventionellem Fleischproduktion. Der Stromverbrauch würde jedoch massiv steigen. Ob das stimmt, wird sich zeigen, wenn es die Produktion im großen Maßstab gibt.

Kann In-vitro-Fleisch das Tierleid verringern?

💬 Für die Produktion würde man sicher deutlich weniger Tiere benötigen – und sie müssten nicht mehr geschlachtet werden. Da der Großteil der Tiere in Massentierhaltung gehalten wird, wäre es quantitativ ein klarer Vorteil.

Heißt, Tiere müssen in Zukunft nicht mehr fürs Schnitzel leiden?

💬 Es ist unklar, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten würden, die die Stammzellen für die In-vitro-Produktion liefern müssten. Man könnte nur von einer Verbesserung für die Tiere sprechen, wenn wirklich keine tierischen Bestandteile und vor allem kein fötales Kälberserum (das durch einen sehr leidvollen Prozess entsteht) mehr für die Herstellung benötigt würden.

Gesünder wird Fleisch deswegen aber nicht, oder doch?

💬 Forschende an In-vitro-Fleisch betonen zwar, dass man das Fleisch so züchten könnte, dass es mehr gesundheitsförderliche und weniger schädliche Bestandteile enthält. Man könnte beispielsweise Vitamine zusetzen. Allerdings ist es wissenschaftlich bislang sehr umstritten, welche Bestandteile von Fleisch die gesunden und welche die ungesunden sind.

Ist Fleisch dann endlich frei von Antibiotika?

💬 Das Versprechen, dass man für die Produktion von In-vitro-Fleisch keinen Einsatz von Antibiotika mehr braucht, ist noch nicht bestätigt - im ersten öffentlich gebratenen In-vitro-Burger war Antibiotika enthalten.

Galileo vom 2020-11-15
Episode

Sonntag: Galileo Spezial: Willkommen in Fleischlos

Wie verändert sich das soziale Leben in einer Kleinstadt ohne Fleisch? Wie verändert sich das persönliche Wohlbefinden, wenn man auf Fleisch verzichtet? Was verändert sich im Geldbeutel, wenn man sich länger fleischlos ernährt? Für das "Galileo Spezial" stellen sich Bewohner einer Kleinstadt in Thüringen, dem Bundesland mit dem höchsten Pro-Kopf-Fleischkonsum, einem einzigartigen Experiment: Für einen ganzen Monat wollen 200 Menschen fleischlos leben.

  • 50:10 Min
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Wann landet In-vitro-Fleisch im Supermarkt-Regal?

In Israel lassen sich bereits in einigen Restaurants Chicken Nuggets und Steaks aus dem Labor probieren, Singapur bietet als einziges Land weltweit In-vitro-Fleisch in Supermärkten an.

Auch die amerikanische Lebensmittel-Behörde FDA hat dem US-Hersteller Upside Foods erst kürzlich grünes Licht für die Produktion gegeben. In Europa ist der Weg für die Firmen deutlich steiniger. Lebensmittel aus Zell- und Gewebekulturen fallen nach europäischem Recht unter die Novel-Food-Verordnung.

Produkte aus dem Reagenzglas müssen sich in einer Reihe kritischer Tests bewähren. Bislang ist ein solcher Antrag bei der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) noch nicht eingegangen. Bis Hackfleisch, Steak und Co. aus dem Labor also in deutschen Supermärkten zu finden sind, wird es also noch dauern.

Laut dem Hersteller Upside Foods könnten so die Hühnchen-Burger der Zukunft aussehen.
Laut dem Hersteller Upside Foods könnten so die Hühnchen-Burger der Zukunft aussehen.© Upside Foods

Warum braucht es Fleisch-Alternativen überhaupt?

🥩 Die Welternährungs-Behörde FAO schätzt, dass im Jahr 2050 etwa 460 Millionen Tonnen Fleisch jährlich produziert werden müssten, um die Nachfrage der Menschheit zu befriedigen.

🌏 Gründe sind das Anwachsen der Weltbevölkerung auf rund 10 Milliarden und ein Anstieg der Kaufkraft, besonders in Asien und Afrika. Das stellt nicht nur die Massenhaltung von Tieren vor neue Herausforderungen, sondern belastet auch die Umwelt.

🌱 Weide- und Ackerland nehmen etwa die Hälfte der bewohnbaren Fläche auf der Erde ein. 60 Prozent der ernährungsbedingten Emissionen fallen laut Greenpeace auf tierische Produkte zurück.

🧫 Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es neue, massentaugliche Lösungen. Laborfleisch würde aus Sicht einiger Expert:innen weniger Land und Ressourcen verbrauchen.

❔ Da In-vitro-Fleisch bisher allerdings noch nicht in industriellen Mengen produziert wird, lässt sich über die tatsächliche Umweltbilanz nur spekulieren.

Die häufigsten Fragen zu In-Vitro-Fleisch

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