6,2 Mio. Deutsche sind Analphabeten: So kannst du helfen
- Veröffentlicht: 04.06.2020
- 20:45 Uhr
- Galileo
Briefe lesen oder E-Mails schreiben - für jeden achten Erwachsenen in Deutschland ist das ein echtes Problem. Dank kreativer Strategien fallen Analphabeten jedoch oft nicht auf. Im Clip: 10 Fragen an einen Betroffenen und sehr ehrliche Antworten.
Das Wichtigste zum Thema Analphabeten
Funktionale Analphabeten können einzelne Sätze lesen oder schreiben. Zusammenhängende, auch kürzere Texte, verstehen sie jedoch nicht. 4,2 Millionen Deutsche zwischen 18 und 64 Jahren sind laut der LEO-Studie der Universität Hamburg (2018) davon betroffen.
Weitere 1,7 Millionen können nur einzelne Wörter lesen und schreiben, 300.000 gelingt auch das nicht.
Jeder zweite Analphabet spricht Deutsch als Muttersprache. Mehr als 60 Prozent besitzen keinen oder nur einen niedrigen Schulabschluss. Einen Job haben 62 Prozent - größtenteils sind sie Gering-Verdiener.
Die gute Nachricht: 2011 gab es noch 1,3 Millionen Analphabeten mehr. Die schlechte: Weltweit sind es mindestens 750 Millionen.
Kleine Schritte und große Hürden
Analphabeten, die 4 Stunden pro Woche investieren, können nach einigen Monaten schon viele Wörter lesen. Wer bereits Wörter lesen kann, wird dann schon kleinere Texte verstehen.
Das Problem: Viele Analphabeten suchen keine Hilfe. Sie schämen sich, haben Angst vor Ablehnung, Diskriminierung oder dass sie für dumm gehalten werden. Außerdem wissen die Betroffenen oder ihre Angehörigen oft nur wenig über Hilfsangebote und Lern-Möglichkeiten.
Hier gibt es Hilfe
Heute gibt es eine große Palette an Hilfs-Angeboten. Bund und Länder haben sich zum Ziel gesetzt, die Lese- und Schreibfähigkeiten Erwachsener in Deutschland und das Grundbildungs-Niveau bis 2026 deutlich zu verbessern.
Dafür gründeten sie 2016 die "Nationale Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung" (AlphaDekade). Sie kümmert sich um mehr Angebote zur Grundbildung sowie bessere und individuellere Lern-Angebote.
Mit Kampagnen will man mehr Betroffene ermutigen, sie auch wahrzunehmen. Ebenso sollen sie die allgemeine Bevölkerung für das Thema sensibilisieren.
Wieso können einige Menschen nicht gut lesen und schreiben?
🙇 Die Ursachen sind vielfältig, zum Beispiel fehlende Aufmerksamkeit im Elternhaus und in der Schule. Oft ist es eine Mischung aus mangelnder Förderung, Vernachlässigung, fehlender Motivation, seelischer Belastung in der Schule, krassen Strafen bei Schul-Versagen durch die Eltern und Überforderung. Einige verlernen das Lesen und Schreiben auch wieder.
🧠 Funktionale Analphabeten sind deshalb aber nicht weniger intelligent.
👩⚕️ Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung ist der Anteil an Lese- und Rechtschreibschwäche (Legasthenie) bei Analphabeten doppelt so hoch. Hier sind es 7 Prozent.
Sie mogeln sich durch
Analphabeten lassen sich einiges einfallen, um nicht aufzufallen. Sie sind dabei sehr kreativ. Es kostet sie aber auch viel Kraft.
Oft haben sie auch Vertrauenspersonen in der Familie oder auch in der Arbeit, die ihnen unauffällig helfen. Die Hilfsbereitschaft birgt aber auch eine Gefahr: Die Betroffenen können sich deshalb oft nicht aufraffen, Lesen und Schreiben zu lernen.
Erkennen, helfen und beraten
Schaue genauer hin, wenn dir etwas komisch vorkommt: Typische Sätze und Verhaltensweisen von Analphabeten sind zum Beispiel:
- "Ich habe meine Brille vergessen. Könnten Sie mir das vorlesen."
- "Ich habe meine Hand verletzt. Können Sie das für mich ausfüllen?"
- "Ich kann das nicht lesen, die Schrift ist zu klein."
- "Ich fühle das Formular lieber in Ruhe zu Hause aus."
- Häufiges Verhalten: Die Person reagiert nicht auf E-Mails oder Briefe, sie gibt den Personalbogen nicht ab oder bringt einen Verwandten mit, der das Formular ausfüllt.
Die kostenlose Hotline des Bundesverbands Alphabetisierung und Grundbildung e. V. bietet eine anonyme Beratung an unter 0800 53 33 44 55.
Berufsgruppen mit vielen Analphabeten
Hier finden Analphabeten und Angehörige Hilfe
📚 Auf der Seite der AlphaDekade kannst du dich über die zahlreichen Projekte informieren