Die Ära Angela Merkel: Das ist die Bilanz ihrer 16 Jahre als CDU-Bundeskanzlerin

Schafft Angela Merkel die längste Amtszeit als Kanzlerin?

Seit dem 22. November 2005 arbeitet Angela Merkel als Bundeskanzlerin im Kanzleramt. Zwar tritt sie bei der Bundestagswahl 2021 nicht mehr an, trotzdem kann sie auch nach dem Wahltag am 26. September 2021 noch einen Rekord brechen. Sollte die neue Regierung erst nach dem 17. Dezember 2021 feststehen, bleibt Merkel bis dahin im Amt und würde damit Helmut Kohl überholen, der zwischen 1982 und 1998 Bundeskanzler war.

Bundestagswahl 2005: Angela Merkel setzt sich knapp gegen Gerhard Schröder durch

Die Amtszeit von Bundeskanzlerin Angela Merkel begann 2005 mit einer Enttäuschung. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte nach der verlorenen Vertrauensfrage Neuwahlen angekündigt. Angela Merkel trat als Spitzenkandidatin der Union an, bei der Bundestagswahl 2002 hatte sie noch CSU-Chef Edmund Stoiber den Vortritt gelassen. Im Wahlkampf 2005 ging es vor allem um die damalige Rekord-Arbeitslosigkeit. Umfragen sahen die Union bei über 40 Prozent der Stimmen und damit als deutlichen Wahlsieger. 

Doch am Wahlabend kam der Schock: Nur 35,2 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten für die Union. Es folgte der legendäre Auftritt von Gerhard Schröder in der "Elefantenrunde" im Fernsehen, der sich als Sieger der Wahl sah. Daraus wurde dann zwar nichts, aber die SPD (mit 34,2 Prozent der Stimmen) und die Union bildeten im November 2005 zusammen die neue Bundesregierung – unter Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Wahlergebnisse der Ära Angela Merkel

Zwar wollte Angela Merkel nach der Bundestagswahl 2005 eine Koalition aus Union und FDP anführen – aber damit hätte es nicht zur Mehrheit gereicht. So blieb keine andere Wahl als die große Koalition mit der SPD.

Verändert hat sich in der Ära Merkel vor allem die eigene Partei, die konservativ-christliche CDU. So gab es in der Zeit, in der Merkel Kanzlerin und Parteivorsitzende war, folgende Änderungen: Einführung des Mindestlohns und der gleichgeschlechtlichen Ehe, die Aussetzung der Wehrpflicht, den Atomausstieg und auch die Öffnung der Grenzen in der Flüchtlingskrise 2015. Immer wieder wurde Merkel vorgeworfen, die Partei "sozialdemokratisiert" zu haben, manche Kritiker sprechen sogar von der CDU als SPD-Kopie. Gleichzeitig werfen andere Kritiker ihr vor, bei drei wichtigen Themen zu wenig erreicht zu haben: Frauen in Führungspositionen, Kampf gegen den Klimawandel und Digitalisierung.

Während der Amtszeit von Angela Merkel hat sich mit der AfD eine Partei in Deutschland etabliert, die versucht, der Union im konservativen Lager Stimmen streitig zu machen. Und das gelang. Die AfD ist inzwischen in allen Landtagen und auch im Bundestag vertreten.

Kritiker:innen stellen auch die Frage, ob Merkel die eigene Partei auf die Zeit nach ihrem Abschied gut genug vorbereitet hat: Während die CDU 2005 bei Merkels Amtsantritt 35,2 Prozent der Stimmen bekam und bei den Bundestagswahlen 2013 sogar 41,5 Prozent für die CDU stimmten, liegt die Partei bei Umfragen vor der Bundestagswahl 2021 bei etwas über 20 Prozent.

Die Krisen der Ära Angela Merkel

Während ihrer Amtszeit gab es einige Krisen, die Merkel als Kanzlerin bewältigen musste.

Arbeitslosigkeit 2005 in Deutschland

Die erste große Herausforderung, der sich Angela Merkel als Bundeskanzlerin stellen musste, war die hohe Arbeitslosigkeit 2005. Sie lag damals bei 11,7 Prozent. Allerdings konnte sie gesenkt werden, selbst in der Finanzkrise 2008 erreichte sie dank Kurzarbeitergeld nicht die Höhe von 2005. Am Ende von Merkels Amtszeit liegt die Arbeitslosigkeit in Deutschland bei etwas über 5 Prozent und spielt im Bundestagswahlkampf keine große Rolle.

Wirtschaftskrise 2008

Die nächste große Herausforderung für Merkel stand 2008 bevor: Die Wirtschaftskrise. In Folge der Pleite der US-amerikanischen Großbank Lehman Brothers gerieten zahlreiche Banken weltweit in Existenznot, Staaten mussten mit hohen Investitionen die Finanzinstitute retten. Merkel versicherte den Bankkunden in Deutschland, dass ihre Einlagen sicher seien.

Finanzkrise und Rettungspakete für Griechenland

Im Süden Europas war diese Stabilität nicht gegeben: Griechenland geriet politisch und wirtschaftlich im Zuge der Finanzkrise unter Druck. Im Raum stand auch ein Ausstieg aus der Euro-Zone. Die EU – und vor allem auch Deutschland – setzte einen strikten Spar- und Reformplan fest und sicherte mit Milliardenpaketen die Griechenland-Rettung.

Euro-Krise: Hohe Schulden in der EU

Eng mit der Griechenland-Krise hing auch die Euro-Krise zusammen. Neben Griechenland waren auch Spanien, Portugal, Irland und Italien durch hohe Schulden unter Druck geraten. Dabei drohte letztlich sogar ein Scheitern des Euro als Währung. Nach politisch umstrittenen Verhandlungen wurde ein europäischer Rettungsschirm ins Leben gerufen. Insbesondere Angela Merkel verlangte dafür einen strikten Sparkurs – der von Kritiker:innen dagegen als wachstumshebend abgelehnt wurde. Schließlich sorgte ein ganzes Maßnahmenpaket unter anderem mit Schuldenbremse und Schritten der Europäischen Zentralbank für eine erneute Stabilisierung des Euro.

Atom-Katastrophe in Fukushima und Atom-Ausstieg in Deutschland

Nach einem starken Erdbeben und dem darauf folgenden Tsunami war es im Frühjahr 2011 im japanischen Fukushima im dortigen Atomkraftwerk zu mehreren Kernschmelzen gekommen. Diese Katastrophe befeuerte die Diskussion um einen deutschen Atom-Ausstieg. Nur wenige Monate später, im Sommer 2011, beschloss die Bundesregierung, bis 2022 aus der Atomkraft auszusteigen und alle deutschen Atomkraftwerke abzuschalten.

Skandal um die NSA: Handy-Überwachung durch die USA

Im Herbst 2013 berichteten Medien erstmals, dass die US-Regierung unter anderem das Mobiltelefon von Angela Merkel überwacht habe – und wie sich herausstellte, war die Bundeskanzlerin nicht das einzige Ziel der Spionage. Zahlreiche andere Staatschefs wurden bespitzelt, zudem kam heraus, dass die gesamte Bundesregierung im Visier des US-Auslandsgeheimdienstes NSA stand. Bis 2002 – also über zehn Jahre – gingen die Abhöraktionen zurück. Zwar zeigte sich Merkel über die US-Aktionen empört, einen offenen Streit mit dem wichtigen Partner USA unter Präsident Barack Obama wollte sie dann aber doch nicht riskieren.

Russland annektiert die Halbinsel Krim

Und auch in der Krim-Krise warfen Kritiker:innen Merkel vor, sich nicht entschieden genug gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin positioniert zu haben. 2014 hatte Russland widerrechtlich die Krim von der Ukraine annektiert – es kam zum militärischen Konflikt zwischen beiden Ländern. Zwar wurden Sanktionen gegen Russland verabschiedet und das Land aus den G8 ausgeschlossen, trotzdem hielt die Bundesregierung auch gegen den Willen Frankreichs und der USA an der umstrittenen Gas-Pipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland fest.

Flüchtlingskrise 2015

"Wir schaffen das" – dieser Satz von Angela Merkel ist eines der berühmtesten Zitate der Bundeskanzlerin. Getätigt hat sie diese Aussage in der Flüchtlingskrise 2015. Damals lehnte sie eine Obergrenze für viele tausend über die Balkanroute kommenden Flüchtlinge ab und entschied, sie nach Deutschland kommen zu lassen. Vor allem mit der CSU und Horst Seehofer legte sie sich damals an. Knapp eine Million geflüchteter Menschen – unter anderem aus dem vom Bürgerkrieg gebeutelten Syrien – nahm Deutschland auf.

Corona-Pandemie und COVID-19

Im Frühjahr 2020 musste sich Deutschland – wie der Rest der Welt – der aufkommenden Corona-Pandemie stellen. Mittels Lockdowns sollte die Ausbreitung des Virus gebremst werden – im Gegensatz zu so manchen Ministerpräsidenten plädierte Merkel in der Regel für ein vorsichtiges Verhalten. Dabei musste die Bundesregierung aber zahlreiche Finanzhilfen bereitstellen, insbesondere für Branchen wie die Gastronomie, deren Einnahmen komplett wegbrachen. Zudem griff die Regierung auf eine bereits in der Finanzkrise angewandte Maßnahme zurück: Kurzarbeitergeld. So sollten Massenentlassungen und zahlreiche Unternehmenspleiten verhindert werden.

Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und Herrschaft der Taliban

Und auch in den letzten zwei Monaten ihrer Amtszeit musste sich Bundeskanzlerin Angela Merkel einer echten Herausforderung stellen: Der Abzug der US-Soldaten aus Afghanistan sorgte dafür, dass die Taliban überraschend schnell wieder die Herrschaft über das Land übernahmen. Mit Hilfe der Bundeswehr und einer Luftbrücke versuchte die Bundesregierung, zahlreiche Menschen zu retten, die der Bundeswehr in den Jahren zuvor geholfen hatten und unter den Taliban um ihr Leben fürchten müssen. Kritiker:innen allerdings sprachen davon, dass die Bundesregierung viel zu spät reagiert und somit zu wenige Menschen habe zunächst ausfliegen können.

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Alle Koalitions-Partner in der Ära Merkel ließen Federn

Auffällig in der Ära von Angela Merkel als Bundeskanzlerin: Parteien, die mit der Union eine Regierungskoalition bildeten, verloren bei den nächsten Wahlen massiv an Stimmen – während die Union weiter die stärkste Kraft blieb.

  • SPD: Bundestagswahl 2005: 34,2 Prozent der Stimmen > Bundestagswahl 2009: 23,0 Prozent der Stimmen
  • FDP: Bundestagswahl 2009: 14,2 Prozent der Stimmen > Bundestagswahl 2013: 4,8 Prozent der Stimmen
  • SPD: Bundestagswahl 2013: 25,7 Prozent der Stimmen > Bundestagswahl 2017: 20,5 Prozent der Stimmen.

 

Als Angela Merkel 2005 Kanzlerin wurde

In 2005, als Angela Merkel Bundeskanzlerin wurde, sah die Welt noch anders aus:

  • Die Generation der heute 16- bis 25-Jährigen kennen als Bundeskanzlerin nur Angela Merkel – keine:n andere:n Politiker:in.
  • Die Produkte, die bei Google 2005 am meisten gesucht wurden: iPod, Digital Camera, MP3 Player, iPod Mini, PlayStation Portable.
  • Die beliebtesten Handys 2005 waren Klapphandys von Nokia und Sony Ericson. Das erste iPhone wurde erst zwei Jahre später vorgestellt.
  • Song des Jahres: Femme Like U (Donne Moi Ton Corps) von K-Maro
  • Papst war 2005 Benedikt XVI.
  • Amtierender US-Präsident war 2005 George W. Bush.
  • Als Bundespräsident war Horst Köhler im Amt.
  • Erfolgreichster Film 2005: "Harry Potter und der Feuerkelch".
  • Die Jonas Brothers wurden gegründet.
  • Fußball-Bundestrainer war Jürgen Klinsmann – Joachim Löw sein Co-Trainer.
  • Im Kader der deutschen Nationalmannschaft standen noch Oliver Kahn und Michael Ballack.
  • Lance Armstrong gewann zum 7. Mal in Folge die Tour de France.
  • Beliebtestes Computerspiel war "World of Warcraft".

 

Minister, die in der Ära Angela Merkel scheiterten

In 16 Jahren als Bundeskanzlerin sah Angela Merkel zahlreiche Politiker:innen kommen und gehen:

  • Vizekanzler und Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) legte im November 2007 sein Amt wegen eines Krebsleidens seiner Frau nieder.
  • Nachdem im afghanischen Kundus bei einem von Deutschland angeforderten Bombenangriff auf zwei Tanklaster 90 Zivilisten getötet wurden, musste der damalige Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) bei der Aufarbeitung des Angriffs nach nur 33 Tagen seinen inzwischen neuen Posten als Bundesarbeitsminister schon wieder räumen.
  • Sein Nachfolger als Verteidigungsminister, Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), den viele bereits als möglichen Nachfolger von Merkel ansahen, musste im März 2011 wegen einer Plagiatsaffäre seinen Posten freimachen. Seine politischen Ambitionen waren damit auch am Ende.
  • Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verlor als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2012 in Nordrhein-Westfalen und wurde daraufhin von Merkel als Minister entlassen.
  • Annette Schavan (CDU), Ministerin für Bildung und Forschung, musste im Februar 2013 wegen einer Plagiatsaffäre zurücktreten.

 

Diese Kritiker und Rivalen wurden von Angela Merkel kaltgestellt

Angela Merkel wird nachgesagt, schon vor ihrer Zeit im Kanzleramt, aber auch als Bundeskanzlerin, zahlreiche Rivalen und Kritiker politisch ausgeschaltet zu haben:

  • Helmut Kohl: Im Zuge der Spendenaffäre forderte Merkel als CDU-Generalsekretärin öffentlich für eine Abgrenzung der Partei vom Altkanzler.
  • Wolfgang Schäuble war CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat, musste aber 2000 wegen den Verwicklungen in die Spendenaffäre zurücktreten. Seine Nachfolgerin als Parteichefin: Angela Merkel. Als er 2004 als Kandidat für die Bundespräsidentenwahl im Gespräch war, zog die Parteispitze stattdessen Horst Köhler vor.
  • Friedrich Merz: Er folgte 2000 Wolfgang Schäuble als Fraktionsvorsitzender und galt als Mann der Zukunft in der Partei. Nur zwei Jahre später verlor er dann seinen Posten an Merkel. Bei der Kandidatur um den CDU-Parteivorsitz verlor er 2018 und 2021 gegen die Merkel-Vertrauten Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet.
  • Edmund Stoiber: 2002 ging es darum, wer bei der Bundestagswahl für die Union antritt: CDU-Chefin Merkel oder CSU-Chef Stoiber. Der bayerische Ministerpräsident ging ins Rennen, verlor die Bundestagswahl aber gegen Gerhard Schröder. 2005 holte dann Merkel für die Union den Sieg bei der Bundestagswahl und wollte Stoiber als Wirtschaftsminister in ihr Kabinett holen. Der zog es dann aber überraschend vor, in Bayern zu bleiben.
  • Günther Oettinger: Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg galt als parteiinterner Kritiker von Merkel. 2009 wurde er auf Vorschlag von Merkel nach Brüssel geschickt und wurde dort EU-Kommissar.
  • Roland Koch: Als langjähriger Ministerpräsident in Hessen galt er als Kandidat für höhere Aufgaben. Merkel aber verweigerte ihm Ämter auf Bundesebene. Koch ließ die Politik hinter sich und wechselte in die Wirtschaft.
  • Norbert Röttgen: Als Bundesumweltminister unter Kanzlerin Merkel kandidierte er als Ministerpräsident bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen. Die Union verlor die Wahl, Röttgen musste seinen Posten als Umweltminister verlassen.
  • Ursula von der Leyen: Die Verteidigungsministerin wurde immer wieder genannt, als es um die Nachfolge von Angela Merkel ging. 2019 wurde sie dann überraschend von der Bundeskanzlerin für die Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin vorgeschlagen. Sie entschied die Wahl für sich und wechselte aus der Bundespolitik nach Brüssel.

Wie lange regiert Angela Merkel schon?

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist seit dem 22. November 2005 im Amt. Sollte sie noch bis 17. Dezember 2021 regieren, könnte sie den bisherigen Rekord von Helmut Kohl überbieten.


Wann tritt Merkel als Bundeskanzlerin ab?

Wann Bundeskanzlerin Angela Merkel ihr Amt verlässt, hängt davon ab, wann eine neue Regierung gebildet wird. Das kann nach der Wahl am 26. September 2021 auch mehrere Monate dauern.


Welcher Bundeskanzler hatte die längste Amtszeit?

Bisher hat Helmut Kohl die längste Amtszeit als Bundeskanzler. Sollte die neue Regierung bis 17. Dezember 2021 noch nicht feststehen, überholt Bundeskanzlerin Merkel Kohl und stellt einen neuen Rekord auf.